Nicht anse­hen!

AugeObwohl der Mensch ein Rudel­tier ist, gibt es genü­gend Situa­tio­nen, in denen man ande­ren auf kei­nen Fall in die Augen sehen darf.
Zum Beispiel:
Ubahn
Bestes Bei­spiel. Nie­mand darf ande­re anschau­en, sind ja gif­tig. Wenn man dann doch einen “anstarrt” wird der­je­ni­ge gleich böse. Also gibts zwei Lösun­gen: 1.: Man liest zum dreih­un­ter­vier­un­sieb­zig­sten Mal die Wer­bun­gen, oder lernt das auf­ge­zeich­ne­te Schie­nen­netz aus­wen­dig. 2.: Aus dem Fen­ster star­ren. Sieht man zwar nur schwar­ze Ubahn­schäch­te, aber das muss ja nie­man­den auf­fal­len, also so tun als ob man die wun­der­schö­ne Land­schaft genie­ße. Gerüch­te besa­gen, dass sich die Fen­ster­gucker gegen­sei­tig heim­lich durch die Spie­ge­lun­gen beob­ach­ten. Kann natür­lich nicht bestä­tigt wer­den, schließ­lich sieht man ja nicht, dass man beob­ach­tet wird. Glau­ben die Beobachter.
Ich habe mir ange­wöhnt, im Wag­gon her­um­zu­schau­en, man­che Leu­te genau­er anzu­se­hen, über­le­gen, wel­che Beru­fe sie haben könn­ten, aber nie­mand zu lan­ge fixie­ren, sonst schau­en die dann ganz böse. Oder ande­re Mög­lich­keit: Ein Buch lesen. Ist ein Geheim­tipp, der sich schon rum­ge­spro­chen hat, immer mehr Leu­te ver­sin­ken in Bücher, um nur ja kei­nen anse­hen zu müs­sen, beim Ein­fah­ren in die Sta­ti­on ein kur­zer Blick auf den Sta­ti­ons­na­men, und dann schnell wie­der zurück zum Buch.

Lift
Solan­ge die Lift­tü­re offen ist, unbe­dingt hin­aus­schau­en, außer im Lift muss aus Platz­grün­den neu geschlich­tet wer­den. Dann schnell schau­en wo man hin­tritt, und schnell wie­der den Blick zur offe­nen Tür rich­ten. Wenn die Tür sich schließt gibt es zwei Mög­lich­kei­ten: Die Stock­werks­an­zei­ge beob­ach­ten. Zuse­hen, wel­che Zif­fer beleuch­tet wird oder wel­che Zif­fer erscheint. Ist auch gar nicht fad. Gibts kei­ne Stock­werks­an­zei­ge, oder ist die einem schon zu ein­tö­nig, wer­den die Stock­werks­knöp­fe begut­ach­tet. Wel­che Stock­wer­ke sind gedrückt, wie wer­den die Lämp­chen beleuch­tet, wann wur­de der Lift gebaut, wie vie­le Leu­te dür­fen hin­ein? Wahn­sinn, wie vie­le Infor­ma­tio­nen da zu fin­den sind. Da ver­geht die Zeit wie im Flu­ge, vorr­aus­ge­setzt, man befin­det sich in der Nähe der Knöp­fe. Sonst sieht man näm­lich nicht viel.
Geheim­tipp: Maxi­ma­le Trag­kraft durch maxi­ma­le Per­so­nen­zahl divi­die­ren, und raus­fin­den, wie schwer laut die­ser Rech­nung ein Ein­zel­ner sein soll­te, dann kurz (wirk­lich nur kurz) in die Run­de schau­en, wer dar­über oder dar­un­ter liegt. Ja nicht zum schmun­zeln anfangen.
Ein wei­te­res Phä­no­men: Ein Spie­gel im Lift. Fin­det kei­ne Beach­tung, wenn meh­re­re Per­so­nen im Lift sind. Sinds nur zwei oder drei, wird schüch­tern ein kur­zer Blick in den Spie­gel gemacht und hin­ter­her flüch­tig die Fri­sur kor­ri­giert oder die Kra­wat­te zurecht­ge­rückt. Ist man allein, wird ein genaue­rer Blick hin­ein­ge­wor­fen. Wie sitzt die Fri­sur? Habe ich einen neu­en Pickel? Habe ich was zwi­schen den Zäh­nen? Passt bei der Beklei­dung alles? Schaue ich nicht zu ver­schla­fen drein? Uups, da geht auch schon die Tür auf. Die Zeit ver­geht aber auch wie im Flu­ge im Lift, daher sieht man in 90% der Fäl­le den Allei­ne­fah­ren­den gera­de in den Spie­gel schau­end und irgend­was machend, mit einem anschlie­ßen­den schnel­len Umdre­hen, wenn der Betrof­fe­ne merkt, dass die Tür auf­geht. Dann aber schnell raus aus dem Lift und nie­man­den in die Augen sehen. Ist ja peinlich.

Pis­soir
Gip­fel der Pein­lich­keit. So pein­lich, dass vie­le Män­ner nicht las­sen kön­nen, wenn einer neben ihnen steht. Man­che gehen des­halb aus Prin­zip in eine Kabi­ne, damit sie unge­stört sind. Ist pein­li­cher, als die Betref­fen­den glau­ben, wenn sie nach kur­zer Zeit wie­der raus­kom­men und jeder merkt dass sie nur die klei­ne Sei­te ver­rich­tet haben. Ein rich­ti­ger Mann stellt sich hin, lässt lau­fen und schaut dabei an die Wand. Eini­ge schau­en auch hin und her, man­che eini­ge machen auch den Schwanz­ver­gleich. Im wahr­sten Sin­ne des Wor­tes. Der idea­le Platz um her­aus­zu­fin­den wie es um die eige­ne Männ­lich­keit steht. Böse Men­schen haben die Trenn­wän­de erfun­den. Oft aber nur zur Zier­de da, kann Mann ja drü­ber­schau­en. Trotz­dem füh­len sich die Leu­te siche­rer mit Wand. Ganz schlimm ist es, wenn es gar kei­ne Tren­nun­gen gibt, und nur eine Wand zum dage­gen­uri­nie­ren vor­han­den ist, und Mann schon Becken an Becken neben­ein­an­der­steht. Meist sind die­se Wand­klos mit einem typi­schen Geruch behaf­tet, der einem nicht ver­ges­sen lässt, an wel­chen Ort man sich befindet.
Pein­lich wirds auch, wenn man­che mei­nen, sie müss­ten unbe­dingt was sagen, damits nicht ganz so pein­lich ist. Pis­soirsmall­talk ist aber der Gip­fel der Pein­lich­keit. Vor allem, wenn der Chef neben einem steht, und meint wit­zig sein zu müs­sen. Dann schaut Mann, dass so schnell wie mög­lich alles erle­digt ist und ver­schwin­det schnell.
Das inter­es­san­te­ste Phä­no­men ist wahr­schein­lich die Platz­wahl. Schüch­ter­ne gehen bis ans Ende der Uri­nal­auf­stel­lun­gen, man­che gehen gleich zum Ersten. Damit sie gleich wie­der drau­ßen sein kön­nen. Selbst­be­wuss­te stel­len sich in die Mit­te und betrach­ten jeden neu hin­zu­ge­kom­me­nen abfäl­lig. Die Pis­soirs dazwi­schen wer­den glaub ich nie benutzt. Kommt natür­lich auf die Anzahl an, aber links steht einer, rechts steht einer, und dazwi­schen muss jeweils eines frei gelas­sen wer­den. Sind die Richt­li­ni­en auf öffent­li­chen Klos, jeder Mann kennt und befolgt sie.
Frau­en haben es da ein­fa­cher, die haben ihre Kabi­nen, und damit vie­le Pro­ble­me weni­ger. Aber Män­ner wol­len nun­mal ste­hen beim Pis­sen. Weil sie es kön­nen. Soll ja auch unge­sund sein, im Sit­zen zu pis­sen haben For­scher her­aus­ge­fun­den, da im Sit­zen die Bla­se nicht ganz geleert wird, und das zu Ent­zün­dun­gen füh­ren kann. Da freu­en sich die Män­ner der Welt, einen Grund gefun­den zu haben, wie­so sie lie­ber das WC verprit­zen wol­len als sich hin­zu­set­zen. Das wirkt so unter­wür­fig. Da soll­ten in den Woh­nun­gen stan­dard­mä­ßig Uri­na­le instal­liert werden.
Da fällt mir ein Spruch ein, der am Klo mei­ner Groß­el­tern steht: “Um das WC nicht zu ver­sprit­zen, dür­fen bei uns auch Män­ner sit­zen.” Viel­leicht soll­te man dazu­sa­gen, dass das Klo in einem nicht beheiz­ten Teil des Hau­ses ist, und einem selbst mit ange­setz­ter Pisto­le nie­mand dazu zwin­gen kann, sich den Arsch zu erfrie­ren. Ist übri­gens auch ein Grund, war­um Män­ner nicht sit­zen wol­len: Weils kalt ist und unhy­gie­nisch. Ich mei­ne, denkt mal dar­über nach, wie vie­le auf den Klos vor euch schon auf der Schüs­sel geses­sen sind und wel­che Krank­hei­ten die haben? Den Luxus, dass die Bril­le voll­au­to­ma­tisch nach jedem Besuch gerei­nigt wird, fin­det man lei­der nur im Aus­land. Aber ich mer­ke, ich schwei­fe zu sehr vom The­ma ab.

Ist wohl mein bis­her läng­ster Ein­trag gewor­den. Mein heim­li­cher Vor­satz, in die­sem Jahr län­ge­re Ein­trä­ge zu schrei­ben, wur­de mit die­sem Ein­trag wohl mehr als erfüllt, und das sogar unbe­ab­sich­tigt. Ich könn­te sogar noch wei­te­re Situa­tio­nen auf­zäh­len wie Kran­ken­häu­ser oder Arzt­pra­xen (wo aus die­sem Grund extra Zeit­schrif­ten liegen),aber ich habe mich auf die Kern­si­tua­tio­nen spe­zia­li­siert. Da fällt mir ein, ich hat­te aber auch schon gute Unter­hal­tun­gen mit Frem­den im War­te­raum eines Zahn­arz­tes. Darf ich aber nicht sagen, sonst glau­ben die Leu­te mei­ne Bei­spie­le wäre nicht rich­tig, obwohl Aus­nah­men die Regel sind. bestä­ti­gen, wie hier auch zu lesen ist.

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